Ein im Dezember 2023 ergangenes Urteil des Amtsgerichts Hannover (Az.553 C 5141/23) lässt die Kreuzfahrtbranche beim Thema Sonnenliegen an Deck aufhorchen. Ein Hotelgast klagte, da in seinem Urlauberhotel das Hotelpersonal nicht gegen Liegenreservierer vorging. Zig Hotelgäste blockierten tagtäglich frühmorgens mit ihren Handtüchern Poolliegen, ohne sie jedoch anschließend zeitnah zu nutzen. Der Kläger ging jeden Tag leer aus und fand keine freie Liege mehr. Da das Hotel nicht gegen diese, man kann fast sagen, „typisch deutsche Unsitte“ einschritt, bekam der liegenlose Urlauber Recht und erhielt eine Preisminderung von 15 Prozent zugesprochen.
Das Urteil aus Hannover betrifft zwar einen Hotelurlaub, gleichwohl könnte es wegen des Grundproblems, nämlich der morgendlichen Liegenreservierung, auch auf Kreuzfahrtschiffe übertragen werden. Man darf also gespannt sein, wann ein Gericht die Schwelle einer hinzunehmenden Unannehmlichkeit für überschritten ansieht und einen Reisemangel anerkennt, wenn die Besatzung eines Kreuzfahrtschiffes nicht gegen Liegen-Dauerreservierer vorgeht.
Kein Reisemangel
Grundsätzlich gilt andererseits aber, dass ein Schiffsurlauber, so wie jeder andere Pauschaltourist auch, gewisse Ärgernisse ertragen muss, ohne dass gleich das Gewährleistungsrecht des Reisevertragsrechts einen Preisminderungsanspruch auslöst.
Zahlreiche Gerichtsfälle befassen sich bei reisevertraglichen Streitigkeiten mit der Frage, bei welcher Fallkonstellation die Schwelle zum Reisemangel überschritten ist.
Anzahl der Sonnenliegen
Nicht für jeden Passagier an Bord eines Schiffes muss eine Sonnenliege vorhanden sein. So sah es das Amtsgericht Düsseldorf nicht als Reisemangel an, wenn die Anzahl der Gäste auf einem Flusskreuzfahrtschiff nicht mit der Anzahl der Sonnenliegen an Deck übereinstimmt (Az. 21 C 15471/00).
Lärmbeeinträchtigungen
Auf einem Schiff ist aufgrund der Bauweise aus Stahl alles ein wenig hellhöriger als in einem Hotel. Gleichwohl fühlen sich Urlauber nicht selten durch schiffstypische Geräusche gestört und erwarten eine Entschädigung. Doch Ankerschläge am frühen Morgen bewertet das Amtsgericht Rostock als hinzunehmendes Übel (Az. 47 C 283/16), ebenso wie den Einsatz des Bugstrahlruders beim morgendlichen An- oder Ablegen (Az. 47 C 76/15).
Kinderkrach
Kindergeschrei bei den Mahlzeiten im Bordrestaurant ein Mangel? Mitnichten, das ist sozialadäquat und zu erdulden (Amtsgericht Rostock, Az. 47 C 278/19).
Fehlendes Benehmen
Im Zeitalter des Massentourismus muss man auch das Verhalten seiner Mitmenschen auf einem Kreuzfahrtschiff „ertragen“ und kann dem Reiseveranstalter fehlenden Anstand anderer Passagiere nicht als Reisemangel aufbürden. Handyklingeln im Restaurant, laute Gespräche beim Essen, fehlende Essmanieren, Streitereien oder lauter Sex in der Nachbarkabine, Rauchen auf dem Freideck (ohne Rauchverbotszone), unpassender Kleidungsstil und auch übermäßiger Alkoholkonsum anderer Urlauber muss ein Kreuzfahrer daher in der Regel entschädigungslos hinnehmen.
Vibrationen
Wenn in der Schiffskabine leichte Vibrationen normalen Ausmaßes zu
spüren sind, liegt kein Reisemangel vor, sondern solch spürbares Zittern lässt sich auf einem Schiff schlichtweg nicht vermeiden (Amtsgericht Rostock, Az. 47 C 27/15).
Gerüche
Wo gewischt wird, wird Putzmittel verwendet und nicht immer duftet es wohlig nach Lavendel. Wenn es in der Kabine vorübergehend zu einer Geruchsbelästigung durch Reinigungsarbeiten kommt, kann der Reisepreis nicht gemindert werden (Amtsgericht Rostock, 47 C 76/15).
Noch sind Dieselmotoren auf Schiffen die überwiegende Antriebsart und so kann es hier und da auch mal nach Abgasen riechen. Nicht schön, die Schwelle zum minderungsfähigen Mangel ist damit aber dennoch nicht übertreten (Amtsgericht Hamburg, Az. 4 C 446/01).
Schiffsroute und Landgänge
Im Allgemeinen stellt eine Änderung von der vertraglich vereinbarten Kreuzfahrtroute einen Reisemangel dar, der zu einer Preisminderung berechtigt. Keine Regel ohne Ausnahme. Kleinere Änderungen mindern den Preis der Kreuzfahrt nicht, etwa wenn eine Reise auf dem Nil statt flussaufwärts, flussabwärts durchgeführt wird (Landgericht Bonn, Az. 5 S 229/93) oder ein Landgang um einige Stunden verkürzt wird (Amtsgericht Offenbach, Az. 340 C 29/08).
Flugabwicklung
Wer den Flug zum Schiff oder vom Schiff zurück nach Hause mit beim Reiseveranstalter bucht, muss kleinere Verspätungen „mit der Faust in der Tasche“ ertragen. Bis zu 4 Stunden Verspätung, ohne dass man das Schiff verpasst, müssen nach herrschender Meinung der Amts- und Landgerichte ohne die Möglichkeit einer Minderung des Reisepreises hingenommen werden. Können Sitzplätze im Flieger nicht nebeneinander angeboten werden, rechtfertigt das ebenfalls keinen Minderungsanspruch gegenüber dem Reiseveranstalter (Amtsgericht Rostock, Az.47 C 153/16).
Ebenso sind schnarchende Fluggäste, die einem selbst den Schlaf rauben, nicht dem Reiseveranstalter anzulasten (Amtsgericht Frankfurt/M., Az. 31 C 842/01–83).
Bekommt ein Passagier im Flieger zur Kreuzfahrt ein noch halbgefrorenes Sandwich serviert, muss er kurz warten, bis es aufgetaut ist. Geld zurück gibt es dafür nicht (Amtsgericht Rostock, Az. 47 C 240/10).
Die Grenze zum Reisemangel
Nicht für jedes aus Sicht des Kunden vorhandene Ärgernis ist der Reiseveranstalter verantwortlich. Ein Reisemangel liegt erst dann vor, wenn die Reise nicht die vertragliche vereinbarte Beschaffenheit hat oder der Reiseveranstalter versprochene Leistungen nicht oder verspätet zur Verfügung stellt. Liegt ein Reisemangel vor, haftet der Reiseveranstalter für den Minderwert der Reise und es ergibt sich ein Preisminderungsanspruch für den Urlauber, auf ein Verschulden des Reiseveranstalters kommt es dann nicht an.
Dieser Text ist in CRUCERO 01/2024 erschienen und wurde am 08.03.2024 in der Printausgabe von CRUCERO veröffentlicht. Rechtliche Einschätzungen und Rechtsprechung können sich verändern.