Die Gewerkschaft Ver.di ruft rund 20.000 Beschäftigte des Lufthansa-Bodenpersonals am Mittwoch, 27.07.2022, zu einem eintägigen Warnstreik auf – Hintergrund sind die stockenden Tarifverhandlungen.
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hält es für unverantwortlich, einen ganzen Tag zu einem Warnstreik aufzurufen. „In diesen Tagen der vielfältigen Krisen ist Kooperation das Gebot der Stunde. Ver.di ist daher aufgefordert, von dem geplanten Streik beim Bodenpersonal der Lufthansa Abstand zu nehmen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Lufthansa und vor allem deren Passagiere mit Lohnforderungen mitten im Sommer zu belasten, ist absolut unverhältnismäßig. Hier wird der nachvollziehbare Urlaubswunsch der Menschen schamlos ausgenutzt, um einen Vorteil zu erlangen“, so Kampeter
Der Warnstreik soll von Mittwoch 3.45 Uhr bis Donnerstag, 6 Uhr, andauern. In der Zeit werden hunderte Flüge voraussichtlich ausfallen oder mit großer Verzögerung starten. Julián Navas, Fluggastrechteexperte bei Air Help, erklärt, welche Rechte betroffene Passagiere haben.
Seit 2021 sind Streiks in der EU entschädigungsberechtigt
Durch den morgigen Warnstreik werden mehrere Tausende Passagiere ihr Ziel nicht wie geplant erreichen. Bei Verspätungen von über drei Stunden oder Ausfällen haben betroffene Passagiere Anspruch auf eine Entschädigungszahlung von bis zu 600 Euro.
AirHelp ist es gelungen, im vergangenen Jahr dazu eine wegweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu erlangen. „In einem Rechtsstreit konnten wir die Richter des Europäischen Gerichtshof davon überzeugen, dass Fluggesellschaften für angekündigte wie unangekündigte Streiks haften und ihre Kundinnen und Kunden bei Problemen entsprechend entschädigen müssen“, erklärt Julián Navas.
Dies gelte jedoch nur, wenn das Personal bei der Fluggesellschaft beschäftigt ist. Streiks des Flughafenpersonals, der Flugsicherung oder anderer Luftfahrt bezogener Dienste gelten als außergewöhnlicher Umstand, da diese Streiks nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft liegen.
Es käme häufig vor, dass Fluggesellschaften Entschädigungsansprüche von Fluggästen mit dem Argument ablehnen, dass Streiks außerhalb des Kontrollbereichs der Fluggesellschaft liegen und sie daher nicht für die Entschädigung verantwortlich sind.
Julián Navas stellt klar: „Flugunterbrechungen, die durch Streiks des Airline-Personals verursacht werden, sind definitiv entschädigungsfähig.“
Passagiere haben Anspruch auf Ersatzleistungen
Betroffene Passagiere haben ab einer Verspätung von drei Stunden daher Anspruch auf eine Alternativbeförderung. Die Umbuchung auf einen anderen Flug muss von der ausführenden Airline selbst umgesetzt werden.
Innerdeutsche Flüge können optional auf eine Bahnfahrkarte umgelegt werden.
Wird die Fluggesellschaft nicht von sich aus tätig, sollten betroffene Passagiere eine Frist auf drei Stunden nach der geplanten Abflugzeit setzen.
Wird die Aufforderung dennoch nicht erfüllt, können Reisende eigene Alternativen suchen und die Kosten der Airline in Rechnung stellen.
Versorgungsleistung von der Airline einfordern
Ab einer Verspätung von mehr als fünf Stunden oder einer Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt ist die Airline zudem dazu verpflichtet, den vollen Ticketpreis zu erstatten. Bei Verspätungen von über zwei Stunden und einer Flugstrecke von über 1.500 Kilometern muss die ausführende Airline den Passagieren am Flughafen zudem Mahlzeiten und Getränke bereitstellen.
Zudem müssen zwei Telefonate oder Versendung von zwei E‑Mails ermöglicht werden. Bei Bedarf müssen die Airlines auch eine Unterkunft bereitstellen und die Beförderung dorthin ermöglichen.
Es wird in jedem Fall angeraten, diese Versorgungsleistung bei der Fluggesellschaft einzufordern.
Diese Rechte haben Passagiere laut EU-Verordnung
Flugausfälle und ‑verspätungen können zu Entschädigungszahlungen in Höhe von bis zu 600 Euro pro Fluggast berechtigen. Die Höhe der Entschädigungszahlung berechnet sich aus der Länge der Flugstrecke.
Der rechtmäßige Entschädigungsanspruch ist abhängig von der tatsächlichen Dauer der Verspätung am Ankunftsort sowie dem Grund für den ausgefallenen oder verspäteten Flug. Betroffene Passagiere können ihren Entschädigungsanspruch rückwirkend durchsetzen, bis zu drei Jahre nach ihrem Flugtermin.
Außergewöhnliche Umstände wie Unwetter oder medizinische Notfälle können bewirken, dass die ausführende Airline von der Kompensationspflicht befreit wird. Aber: Angekündigte wie unangekündigte Streiks gehören nicht dazu.