Skepsis versus Optimismus: TUI Cruises verliert Rechtsstreit um Klimaneutralität

Während die DUH von einem eher pessimistischen Szenario ausgeht, setzt TUI Cruises auf eine optimistische Prognose, die auch durch politische Bestrebungen zur Förderung der Entwicklung und des Einsatzes von E-Fuels unterstützt wird.

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Das Land­ge­richt Ham­burg hat im Ver­fah­ren der Deut­schen Umwelt­hil­fe (DUH) gegen TUI Crui­ses GmbH zuguns­ten der Umwelt­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on ent­schie­den. Der Rechts­streit dreh­te sich um Wer­be­aus­sa­gen von TUI Crui­ses, die eine Dekar­bo­ni­sie­rung des Kreuz­fahrt­be­triebs bis zum Jahr 2050 ver­spre­chen, sowie um die Fra­ge, ob E‑Fuels in den nächs­ten 25 Jah­ren in aus­rei­chen­der Men­ge zur Ver­fü­gung ste­hen wer­den.

Die DUH ist hier erst­mals juris­tisch gegen Wer­be­aus­sa­gen vor­ge­gan­gen, die aus ihrer Sicht auf unrea­lis­ti­schen Zukunfts­an­nah­men beru­hen.

Unterschiedliche Annahmen zur Verfügbarkeit von E‑Fuels

Im Mit­tel­punkt der Aus­ein­an­der­set­zung steht die Fra­ge, ob die zur Errei­chung der Kli­ma­zie­le not­wen­di­gen Tech­no­lo­gien und Roh­stof­fe zukünf­tig in aus­rei­chen­dem Maße zur Ver­fü­gung ste­hen wer­den. TUI Crui­ses plant, den Kreuz­fahrt­be­trieb bis 2050 durch den Ein­satz von grü­nem Metha­nol, E‑Fuels und nicht-fos­si­lem LNG kli­ma­neu­tral zu stel­len. Die­se Plä­ne basie­ren auf der Annah­me, dass die­se Tech­no­lo­gien recht­zei­tig und in aus­rei­chen­den Men­gen ent­wi­ckelt wer­den.

Crucero fragte die Deutsche Umwelthilfe nach den Klagegründen

Die Deut­sche Umwelt­hil­fe ver­tritt jedoch eine gegen­sätz­li­che Posi­ti­on. Cru­ce­ro hat die Deut­sche Umwelt­hil­fe im Febru­ar 2024 gefragt, wie sie zu der Annah­me kommt, dass die „zukünf­ti­ge Ver­füg­bar­keit von E‑Fuels“ rea­li­täts­fern sei.

In ihrer Ant­wort weist die DUH dar­auf hin, dass die Tech­no­lo­gien zur Syn­the­se von E‑Fuels der­zeit nur in klei­nen Men­gen und nicht im gro­ßen Maß­stab kom­mer­zi­ell her­ge­stellt wer­den. Der Ver­weis auf aktu­el­le Pro­jek­te wie Leuna100 und ande­re Pilot­an­la­gen zei­ge zwar Fort­schrit­te, die­se reich­ten aber nicht aus, um den welt­wei­ten Bedarf zu decken.

Laut DUH zeigt eine Ana­ly­se des Pots­dam-Insti­tuts für Kli­ma­fol­gen­for­schung, dass 99 % der bis 2035 welt­weit ange­kün­dig­ten E‑Fuel-Anla­gen nicht sicher finan­ziert sind und die pro­du­zier­te Men­ge an E‑Fuel nicht ein­mal 2 % des heu­ti­gen fos­si­len Treib­stoff­ver­brauchs der welt­wei­ten Schiff­fahrt erset­zen könn­te.

Die DUH kri­ti­siert die Annah­men von TUI Crui­ses als unrea­lis­tisch. Die Ver­füg­bar­keit der benö­tig­ten Men­gen an grü­nem Metha­nol und ande­ren E‑Fuels bis 2050 sei nicht gesi­chert. Die Dekar­bo­ni­sie­rung basiert laut DUH auf Annah­men, die weder aus­rei­chend begrün­det noch nach­voll­zieh­bar sind. Des Wei­te­ren wird auf den Ein­satz von grü­nem Land­strom ver­wie­sen. Ob alle ange­lau­fe­nen Kreuz­fahrt­de­sti­na­tio­nen die­sen Strom bis 2050 bereit­stel­len kön­nen, bleibt unbe­ant­wor­tet.

Eine glaub­wür­di­ge Recht­fer­ti­gung der kri­ti­sier­ten Wer­be­aus­sa­gen müss­te aus Sicht der DUH eine fun­dier­te und nach­voll­zieh­ba­re Erklä­rung ent­hal­ten, wie die ver­spro­che­ne Dekar­bo­ni­sie­rung bis 2050 erreicht wer­den soll. Eine Absichts­er­klä­rung mit einem Ener­gie­ver­sor­ger wie Mabanaft rei­che nicht aus. TUI muss kon­kre­te und nach­prüf­ba­re Anga­ben machen.

Dass sich die DUH gezielt an TUI Crui­ses und nicht an den Markt­füh­rer AIDA Crui­ses wen­det, begrün­de­te die Orga­ni­sa­ti­on damit, dass AIDA Crui­ses der­zeit kei­ne kon­kre­ten Net­to-Null-Zie­le kom­mu­ni­ziert und somit kei­ne ver­gleich­ba­re Ver­brau­cher­täu­schung vor­lie­ge.

Optimismus versus Skepsis

Wäh­rend die DUH von einem eher pes­si­mis­ti­schen Sze­na­rio aus­geht, setzt TUI Crui­ses auf eine opti­mis­ti­sche Pro­gno­se, die auch durch poli­ti­sche Bestre­bun­gen zur För­de­rung der Ent­wick­lung und des Ein­sat­zes von E‑Fuels unter­stützt wird.

Hier pral­len zwei grund­sätz­li­che Sicht­wei­sen auf­ein­an­der: Die eine warnt vor den Unwäg­bar­kei­ten der tech­ni­schen Ent­wick­lung, die ande­re ver­traut auf den Fort­schritt und die zukünf­ti­ge Ver­füg­bar­keit die­ser Tech­no­lo­gien.

Das Land­ge­richt Ham­burg ist nun der Skep­sis der Deut­schen Umwelt­hil­fe gefolgt und hat ent­schie­den, dass die Wer­be­aus­sa­gen von TUI Crui­ses nicht aus­rei­chend belegt und damit poten­zi­ell irre­füh­rend sind. Die Fra­ge, ob E‑Fuels in den nächs­ten 25 Jah­ren in aus­rei­chen­der Men­ge zur Ver­fü­gung ste­hen wer­den, blieb offen. Sicher ist, dass sich die tech­no­lo­gi­schen und poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen wei­ter­ent­wi­ckeln müs­sen, damit die opti­mis­ti­schen Annah­men der Bran­che tat­säch­lich ein­tre­ten.

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