Hoch ragen die Weinberge im Douro-Tal, linienförmige Terrassen schlängeln sich daran. Nach jeder Flussbiegung taucht eine neue Formation auf, als ob sich eine Herde gigantisch großer, grüner Zebras im Schutz der Berge Marão und Montemuro zum Schlafen gelegt hätte.
Dieses Felsmassiv schützt vor den rauen Atlantikwinden, die von der Mündung des Douro ins Land wehen. Dadurch konnte sich hier ein weltweit einmaliges Mikroklima entwickeln.
Wein wird in der Region schon seit über 2.000 Jahren kultiviert, aber erst mit der „Erfindung“ des Portweins, gelangte sie zu Weltruhm.
Vor allem britische Kaufleute forcierten um 1700 diesen Prozess. Auf der Suche nach exportfähigem Rotwein, trafen Sie auf portugiesische Mönche, die Rotwein durch Zugabe von hochprozentigem Alkohol lager- und transportfähig herstellen konnten. Die Erfindung war also eher eine Entdeckung. Von Großbritannien aus begründete der Portwein seine weltweite Beliebtheit.
Diese im 18. Jahrhundert begründete Nachfrage hat eine Kulturlandschaft von herausragender Schönheit hervorgebracht, die im wahrsten Wortsinne ein Spiegelbild ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung ist. Auf einer Flussreise durch die prächtigen Landschaften ist man diesem Teil der Geschichte Portugals sehr nah.
Schnelltest vor dem Check-in
Ein kurzer Stich in den Mittelfinger, ein kleiner Tropfen Blut für einen Covid-19-Antikörperschnelltest. In diesen Zeiten beginnen Reiseerlebnisse anders. Ganz am Anfang steht das Aufsetzen des Mund-Nasen-Schutzes. Das ist nach mehreren Monaten der Pandemie nichts Ungewöhnliches mehr. Die Dauer ist jedoch neu, von der morgendlichen Taxifahrt, dem Flug nach Porto und Transfer ins Hotel trägt man die Maske einige Stunden am Stück.
Und auch der heutige Morgen mit der Fahrt vom Hotel zum Check-in in Vila Nova de Gaia beginnt mit der Verhüllung von Nase und Mund.
Nach 10 Minuten steht das Testergebnis fest: negativ. Wir dürfen an Bord. Nicko Cruises verlässt sich nicht nur auf die Angaben des Gesundheitsfragebogens, sondern hat den für alle Passagiere obligatorischen Schnelltest als einziger der deutschen Flussreiseanbieter ins Hygieneprotokoll aufgenommen.
Tägliche Kontrolle der Körpertemperatur der Gäste und Desinfektion von Schuhsohlen und Taschen nach Landgängen gehören ebenso dazu.
Wenig Betrieb auf dem Douro
Zu diesem Zeitpunkt im Juli 2020 ist der MS Douro Cruiser von Nicko Cruises eines von nur zwei Flussschiffen, die Kreuzfahrten auf dem Douro für deutsches Publikum anbieten.
24 Schiffe, darunter etliche amerikanischer Anbieter, sind es in einer normalen Saison. Die Reise ab Porto ist zudem vermutlich derzeit die exotischste Kreuzfahrt, die mit Landgängen möglich ist, ohne in ein Gebiet mit Reisewarnung zu fahren.
Das spiegelt sich auch beim Publikum an Bord wider. Ein Großteil der Mitreisenden sind erfahrene Hochseekreuzfahrtgäste.
Geschichten von Reisen nach Patagonien und Grönland werden beim Dinner ausgetauscht. Jetzt ist der Douro die Destination und es ergibt sich nach Monaten mit eingeschränkter Reisefreiheit die langersehnte Möglichkeit wieder auf einem Schiff die Welt zu entdecken.
Die Auslastung des Flussschiffes liegt bei dieser Reise bei knapp unter 50 Prozent, was die Einhaltung des strengen Anti-Corona-Protokolls einfach macht.
Masken werden von allen Mitarbeitern und Gästen in den geschlossenen öffentlichen Bereichen des Schiffes getragen. Im Restaurant, im Salon und auf dem Sonnendeck können sich alle Gäste ohne Maske aufhalten. Einbahnregelungen gibt es nur im Treppenhaus und auf dem Weg zum Sonnendeck.
Wir haben uns schnell daran gewöhnt und es nicht als Belastung empfunden. Dazu beigetragen hat vermutlich auch, dass in Portugal die Disziplin der Bürger deutlich höher ist als bei uns in Deutschland: Auch im Freien tragen viele Portugiesen freiwillig einen Mund-Nasen-Schutz.
Zweiertisch im Restaurant
Im Bordrestaurant wird nur die Hälfte der Plätze besetzt. Angenehme Folge ist, dass man als Paar einen Tisch für sich hat. Die Plätze werden für die gesamte Reise fest vergeben.
Das zuvor übliche Mittagsbuffet wird durch ein serviertes Vier-Gang-Menü ersetzt. Gibt es Buffet, wie zum Frühstück oder am portugiesischen Abend, werden Gerichte nach Wunsch serviert oder die Speisen sind auf abgedeckten Tellern vorportioniert.
Die Kellner desinfizieren sich regelmäßig die Hände und achten darauf, dass dies auch alle Gäste beim Betreten des Bordrestaurants tun. Man kann sich sicherer aufgehoben fühlen als bei manch einem Gastronomiebesuch zu Hause in Deutschland.
Entspanntes Urlaubsgefühl
Bleibt die Frage, ob sich bei all diesen Hygienemaßnahmen auch ein entspanntes Urlaubsgefühl einstellt? Für uns definitiv. Schon während der eineinhalb Tage vor der Kreuzfahrt genießen wir Porto. In den Straßen tummeln sich zwar weniger Touristen als sonst in der Hochsaison üblich, trotzdem entfaltet sich geschäftiges Treiben in der Stadt.
Wie es auch in diesem Jahr in Deutschland Trend ist, machen viele Portugiesen Urlaub im eigenen Land. Und auch aus Spanien reisen etliche Gäste an.
Die wieder aufgenommenen Flüge der Low-Cost-Carrier schaffen außerdem erste Touristen aus Nordeuropa in die Stadt, sodass ein bunter Mix an Gästen die Weinstuben und Restaurants besucht.
Mit Ana Paula durch Porto
Nach der ersten Übernachtung an Bord erkunden wir Porto erneut, diesmal mit einem Schiffsausflug. Erst an diesem Nachmittag heißt es: „Leinen los!“
Die Zuordnung zu unserem Reisebus wird die ganze Woche beibehalten. Und auch Ana Paula, unsere exzellente Reiseleiterin, wird uns während der gesamten Reise begleiten. Charmant und souverän führt sie uns zu den Sehenswürdigkeiten und bringt uns Land und Leuten näher. Ohne sich dabei zu wiederholen, was bei wechselnden Reiseführern, die jeden Tag neu in die Geschichte Portugals einführen, durchaus der Fall sein könnte.
In Porto besichtigen wir mit Ana Paula den alten Bahnhof, dessen beeindruckende Kachelwände für ankommende Reisende die Geschichte Portugals präsentieren. Auf dem Weg zur Kathedrale geht es durch den neuen U‑Bahnhof. Statt der wenig beeindruckenden Architektur stehen hier wohl eher die bequemen Rolltreppen im Mittelpunkt, die den Gästen den Großteil des Aufstiegs zwischen Bahnhof und Kathedrale abnehmen.
Bestens ausgerichtet auf das klassische, reifere Flusskreuzfahrtpublikum. Auf unsere Reise war der Altersdurchschnitt jünger. Wir schätzen bei ungefähr 50 Jahren.
Die Chance zur Verjüngung des Programms und dem dauerhaften Erschließen einer neuen Zielgruppe nutzt Nicko Cruises aber noch nicht in allen Bereichen.
Bordmusiker Rui beschallt den Speiseraum an einem Abend mit Schlagern aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts und seine Musikabende im Salon sind kein Highlight modernen Entertainments.
Aber es gibt durchaus gelungene Unterhaltungshöhepunkte, wie der Besuch portugiesischer Musiker an einem Abend der Reise. Und ein Sundowner auf dem offenen Deck bei sommerlichen Temperaturen in der beschaulichen Fluss-Landschaft ist ohnehin die schönste Abendunterhaltung auf dieser Reise.
Auf dem Douro herrscht ein Nachtfahrverbot, sodass der Douro Cruiser jeden Abend an Land angetaut ist.
Kabine mit Balkon
Der Douro Cruiser von Nicko Cruises wurde im Jahr 2005 als Algarve Cruiser in Dienst gestellt. Bis zu 130 Gäste finden an Bord Platz. Die Kabinen bieten auf 14 Quadratmetern eine zweckmäßige Unterkunft. Schönes Detail: Auf dem Oberdeck haben die Kabinen eigene kleine Balkone. Ideal, um die sehenswerte Fahrt durch den Douro auch dann zu genießen, wenn das Oberdeck wegen der Fahrt unter einer niedrigen Brücke oder einer Schleuseneinfahrt kurzfristig gesperrt werden muss.
Aber Obacht: Die Balkontüren sind nur von innen zu entriegeln. Wer die Türen von außen schließt, benötigt anschließend Hilfe der Rezeption – und zu deren Alarmierung wiederum Hilfe der Zimmernachbarn.
Neben zwei Stühlen hat auch ein kleiner Klapptisch auf dem Balkon Platz gefunden. Dafür ist der Platz in der Balkonkabine beengter. Lediglich ein kleiner Sessel am Minischreibtisch steht als Sitzgelegenheit zur Verfügung. Der Schrankraum ist für eine Woche ausreichend. An Bord herrscht ohnehin ein eher legerer Kleidungsstil vor. Das Duschbad mit Glaskabine ist solider Flussschiffsstandard.
Im Panoramasalon des Douro Cruisers ist das Programm aktuell eingeschränkt. Einige Veranstaltungen wie gemeinsames Herstellen der portugiesischen Nationalsüßspeise „Pastéis de Nata“ sind dem Hygieneprotokoll zum Opfer gefallen.
Auf dem Sonnendeck findet sich auch ein kleiner Pool, der bei Außentemperaturen von bis zu 38° Celsius gerne genutzt wird.
2021 wird MS Douro Serenity zusätzlich für Nicko Cruises fahren. Der Neubau aus dem Jahr 2017 bietet zeitgemäßen Komfort, in den Standardkabinen auf dem Mittel- und Oberdeck absenkbare Panoramafenster und in acht Deluxe-Kabinen einen Balkon.
Douro: 200 Kilometer und fünf Schleusen
Lediglich gut 200 Kilometer legen Flussschiffe auf dem Douro zwischen Porto und der spanischen Grenze zurück. Und jeder einzelne ist sehenswert.
So verbringen die meisten Gäste die Fahrtstunden auf dem Sonnendeck. Von der Fahrt unter den sechs Brücken der Stadt Porto, entlang hoch aufragender Weinberge bis hin zu steilen Felswänden links und rechts des schmalen Flusses.
Bis zu 35 Höhenmeter werden in jeder der fünf Schleusen auf dem Fluss überwunden. Und das erstaunlich schnell.
Die Schleusen geben auch die Größe der Schiffe vor, 83 Meter ist die Höchstlänge und breiter als 11,4 Meter kann ein Douro Kreuzer nicht werden.
Peso de Régua ist der Hauptort der Weinregion Alto Douro. Hier bleibt das Schiff über Nacht und bietet so die Möglichkeit, die Gegend auf geführten Ausflügen oder individuell ausgiebig zu erkunden.
Seit 1756 sind die Weinberge des Tals das älteste herkunftsgeschützte Weinbaugebiet der Erde und im Jahr 2001 wurde die Region zum UNESCO-Welterbe ernannt. Wir erkunden mit einem Schiffsausflug den Wallfahrtsort Lamego. Gläubige Pilger erklimmen die mehr als 600 Stufen zur barocken Wallfahrtskirche über der Stadt. Schiffskreuzfahrtgäste fahren bequem mit dem Bus zur Kapelle und können den weniger anstrengenden Treppenabstieg zur Rückkehr wählen.
Beliebt ist auch die Tour zum Mateuspalast bei Vila Real am nächsten Morgen. Das Bild des Herrenhauses ziert den meistverkauften Wein Portugals: Mateus Rosé. Kein Portwein, sondern ein Roséwein, der zudem nicht im Douro-Tal angebaut wird. Der Eigentümer des Herrenhauses hat dem Winzer die Lizenz gegeben, mit dem Palast zu werben. Das Herrenhaus ist schnell erkundet und es bleibt noch Zeit durch den großen Park mit Rosenbeeten, Weinreben und einem Zederntunnel zu schlendern.
Besuch auf dem Weingut
Natürlich darf auf einer Douro-Reise auch ein Besuch eines Weinguts nicht fehlen. In der Quinta da Avessada führt Weingut-Chef Luis Barros launig durch den Abend. Geboten wird eine rustikale portugiesische Küche und auf der Quinta angebaute Weine – natürlich auch hier unter Einhaltung von Hygieneregeln.
Wissenswertes über die Herstellung von Portwein haben wir schon in Porto bei einer Kellereiführung erfahren, hier auf der Quinta auf einem Hochplateau wird jedoch Moscatel-Süßwein produziert.
Das Verfahren ist identisch, nur die Traube ist eine andere. Mindestens 85 Prozent Moscatel-Trauben muss dieser Süßwein enthalten. Neben Portwein und Madeira ist der Moscatel der dritte, jedoch weniger bekannte Likörwein aus Portugal.
Abstecher nach Salamanca
Barca D’Alva liegt an der Grenze zwischen Portugal und Spanien und ist der Endpunkt der Reise flussaufwärts bevor es wieder zurück nach Porto geht. Von hier aus startet der Ausflug in das 120 Kilometer entfernte spanische Salamanca.
Fast alle Gebäude der Stadt sind aus Sandstein der Region gebaut. Das Besondere: der Stein enthält Eisenoxid, im Sonnenlicht leuchten die Bauwerke in golden-rötlichem Schimmer.
In Spanien sind die Hygienevorschriften strikter und so durchstreifen wir die Innenstadt wie alle Einheimischen mit Mund-Nasen-Schutz. Ausländische Touristen sind in der Stadt aktuell kaum zu sehen.
Umso mehr freut sich die deutschsprachige Stadtführerin den Plaza Mayor, die älteste Universität der iberischen Halbinsel und die beiden miteinander verbundenen Kathedralen der Stadt aus dem 12. und 16. Jahrhundert zu zeigen. Bei der letzten Renovierung der Kathedralen haben die Steinmetze neben den traditionellen Reliefs auch einen Astronauten in das Portal der Kathedrale gemeißelt. Manch einer der Touristen vermutet nun irrtümlich eine mittelalterliche Vorhersage der Raumfahrt.
Eine in Stein gemeißelte mittelalterliche Legende gibt es dennoch: Es heißt, wer auf der Fassade der Universität von Salamanca einen Frosch entdeckt, der auf einem Schädel sitzt, der wird alle seine (Universitäts-)Prüfungen bestehen. Und tatsächlich ist ein Totenkopf, dem ein Frosch auf der Fontanelle sitzt, in die Renaissance-Fassade eingearbeitet.
Seit über 500 Jahren gilt jedoch: Den Frosch muss jeder selbst finden, damit der Zauber wahr werden kann. Alternativ kann man in den Souvenirläden der Stadt Plüschfrösche, T‑Shirts und anderen Tand zur Legende kaufen.
Im Ausflugspreis von 85 Euro pro Person ist ein bemerkenswert gutes Mittagessen in einem der besten Hotels der Stadt inkludiert. Dieses bildet den Auftakt des Besuchs in Salamanca, nachdem man zuvor Zeit hat, die Geschäfte der Stadt zu erkunden. Da in Spanien die Siesta heilig ist, schließen viele Läden am Nachmittag, daher findet die touristische Führung erst nach der Mahlzeit statt.
Ruinen der spanischen Herrschaft in Portugal
Dass Portugal ab Ende des 16. Jahrhunderts einige Jahrzehnte von Spanien beherrscht wurde, erfahren wir bei einem Ausflug nach Castelo Rodrigo. Die Burg des kleinen Dorfes auf 820 Meter Höhe war in dieser Zeit eine Residenz des spanischen Statthalters. Nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit ließen die Portugiesen die Ruinen der Burg als Symbol ihrer Souveränität und des Sieges über die Spanier bestehen.
Porto Overnight
Zu Abschluss der Reise bleibt der Douro Cruiser noch über Nacht in Porto. Wer nicht bergauf laufen mag, kann auf einer kurzen Gondelbahnfahrt direkt bis zur oberen Brückenstrecke der Ponte Dom Luís I hinaufgleiten und von dort bequem zum Stadtkern schlendern.
Uns zieht es an diesem letzten Tag jedoch hinaus zum Meer. Mit der historischen Straßenbahn oder mit der Buslinie 500 erreicht man die Mündung des Douro und den Atlantik mit seinen schönen Sandstränden von Matosinhos.
Entlang der Promenade spazieren wir bis zu einem derzeit verlassenen modernen Bau – dem erst 2015 eröffneten Cruiseterminal von Leixões. Auf der Rückfahrt nach Porto mit der Metro sinnieren wir darüber, wann hier wohl wieder Schiffe anlegen werden?
Zehn Gäste dieser Reise möchten am nächsten Morgen und für die kommenden drei Tage noch mehr von Portugal entdecken und haben sich für das Anschlussprogramm in Lissabon entschieden.
Für uns geht es nach diesem ersten Urlaub nach dem Lockdown wieder zurück nach Deutschland. Also Maske auf, rein ins Taxi und ab zum Flughafen.