Kleine Schiffe – große Erlebnisse“ – so etikettiert der Stuttgarter Veranstalter Nicko Cruises sein Programm. Von den Flüssen der Erde hat man sich nun erfolgreich aufs Meer gewagt.
Damit liegt man im Fahrwasser des Trends, mit kompakten Schiffen Orte und Ankerplätze anzusteuern, die man nicht nur besucht, sondern so richtig erkundet und mit allen Sinnen wahrnimmt.
Nicko Cruises steht gleichzeitig für ein Stückchen Globalisierung: Der deutsche Kreuzfahrt-Veranstalter in portugiesischem Besitz steuert volle Kraft voraus in die Ägäis.
Reisen in Pandemie-Zeiten
Wenn die ersten Herbststürme über Mitteleuropa hinwegziehen, wird es kalt und ungemütlich. Ein idealer Zeitpunkt, um es den Zugvögeln gleichzutun. Ab unter die Sonne des Südens, genauer gesagt: zunächst mit dem Flugzeug nach Athen. Doch in anhaltenden Corona-Zeiten wie diesen beginnt die Einstimmung auf die Reise bereits vorher.
Am Abend vor der Abreise schwirrt das Resultat eines von Nicko Cruises per Bote ins Haus gelieferten PCR-Tests ein; ohne den Nachweis ist weder die Einreise nach Griechenland noch der Zutritt zur Gangway gestattet. Kurz vor der Einschiffung heißt es nochmals, bei dem vom Schiffsarzt durchgeführten Antigentest das nasale Innenleben auf den Prüfstand zu stellen.
Die weiterführenden Hygienemaßnahmen an Bord sind durchdacht und strikt – denn nur so gelingt eine Kreuzfahrt in Pandemie-Zeiten.
Mamma Mia
Mediterrane Aromen
Es muss nicht immer Kaviar sein – denn es soll ja auch preiswerter sein als bei der Fünf-Sterne-Konkurrenz im 200 Gäste-Segment. Aber der Qualität tut dies keinen Abbruch. Das kulinarische Angebot, oftmals mit mediterraner Note, lässt keine Wünsche offen.
Der österreichische Hoteldirektor Thomas Leitner und der englische Küchenchef David Buchanan mit seiner Galley-Crew haben alles in Griff. Das Service-Team ist kompetent, topmotiviert und glücklich, in dieser herausfordernden Zeit auf einem fahrenden Schiff mit Gästen zu arbeiten. So auch Stewardess Nadine aus dem Burgenland, ein wahrer Sonnenschein, deren Lächeln man auch hinter der obligatorischen Mund-Nasen-Schutzmaske erkennt. Und wenn der rundliche Oscar aus Honduras mit seiner unverkennbaren Lache die Bestellung aufnimmt und jede Wahl mit „Excelente“ bestätigt, dann wird einem warm uns Herz.
Beim Welcome Dinner wächst die Küchenbrigade über sich hinaus und präsentiert ein vom portugiesischen Zwei-Michelin-Sterne-Koch Rui Paula konzipiertes Menü. Da läuft einem an Bord das berühmte Wasser im Mund zusammen.
Die Vorspeise besteht aus Jakobsmuscheln mit Karotten-Ingwer-Püree und Scampi-Sauce, beim Hauptgericht kommt der Seebarsch mit einer Blumenkohltextur und Muschelsauce auf den Tisch.
Krönender Abschluss ist die Dessertplatte „Die Zitrusfrüchte“, deren Beschreibung auf der Speisekarte punktgenau ist: Texturen und Aromen von frischen Zitrusfrüchten, Mandarinengel, gebutterter Streusel, das Ganze inmitten eines weichen Zentrums aus Zitronenmousse, das im Mund schmilzt und den Geschmackshöhepunkt mit einem nach Limette duftenden Meringue erreicht.
Ehrfurcht in Meteora
Der „World Explorer“ erreicht den Hafen von Volos. Nun steht ein Ganztagsausflug zu den als UNESCO-Welterbe zählenden Meteora-Klöstern auf dem Programm. Abgesehen vom Berg Athos, gilt das Konglomerat der Klöster dahingehend als Höhepunkt auf der Karte der griechischen Kulturlandschaft.
Das Leben begann mit den ersten Einsiedlern im 11. Jahrhundert. Harmonisch verschmelzen Felsen und Gebäude und bescheren Gänsehaut-Momente, ob beim Blick hinauf zu Agios Nikolaos Anapafsas oder den Besichtigungen von Agios Varlaam und Agios Stefanos.
Die Windmühlen von Mykonos
Nach ruhiger Nacht auf See erspähen wir sie bei Tagesanbruch in der Ferne: Die berühmten Windmühlen von Mykonos, dazu weiße Häusermeere. Doch nicht nur diese Anblicke begeistern.
Die Erkundungen bringen uns ins Schifffahrtsmuseum und nach Little Venice, wo durch Corona kaum Touristen anzutreffen sind. Gut für uns, schlecht fürs Tourismusgeschäft.
Mykonos lebende Wahrzeichen sind Pelikane, die sich augenzwinkernd auch auf Social Distancing-Schildern wiederfinden: Zwischen zwei Vertretern des Homo sapiens möge man den Abstand von 1,5 Metern einhalten, was in etwa dem Volumen eines erwachsenen Pelikans (mit ausgebreiteten Flügeln) entspricht.
Ein finanzieller Höhenflug ist der Aufstieg zur 180º Sunset Bar. Das kostet stolze 20 Euro Eintritt. Dafür gibt’s einen Aperol Spritz, Chillout-Beats und Abendstimmung deluxe.
Millimeterarbeit im Kanal von Korinth
Nur wenige Kreuzfahrtschiffe durchfahren den historischen Kanal von Korinth. Kapitän Augusto Neto und seine Brückenbesatzung stellen sich der Herausforderung – gemeinsam mit lokalen Lotsen und mit Hilfe eines Schleppers. Der Kanal wurde 1893 fertiggestellt und verbindet den Golf von Korinth im Ionischen Meer mit dem Saronischen Golf in der Ägäis.
Er ist 6,4 Kilometer lang und an seiner Basis nur 21,4 Meter breit. Wenn man sich Maße der „World Explorer“ vor Augen hält – 19 Meter Breite bei einer Länge von 126 Metern – kann man leicht ausrechnen, dass alles verdammt knapp ist und Nervenkitzel bedeutet. Die Durchfahrt dauert eine Stunde. Bei der Weiterfahrt nach Itea, dem Ausgangspunkt für einen Ausflug zum Orakel von Delphi, gibt’s für Passagiere weiteres Bonusmaterial. Delfine begleiten eine Zeit lang das Schiff.
Pink, Purpur, Orange
Der „World Explorer“ ankert vor Fiskardo. Malerisch wie der kleine Ort ist das Farbenspiel, bei dem Grün und Blau verschwimmen.
Die Kefalonia-Panoramafahrt führt an Assos und der türkis leuchtenden Myrtos Beach vorbei nach Agia Effimia. Hier steigen wir in Ruderboote, um in die Melissani-Höhle zu gelangen, deren Wasser als sonnendurchflutetes Kunstwerk der Natur erstrahlt.
Nachmittags stehen wieder Bootsausflüge auf dem Programm, diesmal mit den bordeigenen Zodiac-Schlauchbooten. „World Explorer“ verfügt über insgesamt achtzehn dieser rasanten Gummigefährte, um Gäste bei Entdeckungstouren zu neuen Perspektiven zu verhelfen und an neue Ufer zu bringen.
Bei Sonnenuntergang fluten Pink- und Purpurtöne den Horizont, während es an Deck in der Farbe Orange glimmt.
Chef David steht am Holzkohlegrill. Und die Küchenbrigade zaubert ein BBQ-Abendessen der Extraklasse, natürlich mit frischem Fisch und griechischen Spezialitäten.
Der Himmel strahlt in Millionen Sternen. Alleine diese unvergesslichen Eindrücke lohnen die gesamte Reise.
Auf den Spuren von Sisi
In der Morgendämmerung passiert „World Explorer“ die majestätische Festung aus dem 15. Jahrhundert und das Häuserpuzzle von Kerkyra, Hauptstadt der Insel Korfu. Um acht Uhr an der Pier ist die Frisur bereits vom Winde zerzaust. Ein kräftiger Sturm ist aufgezogen.
Beim Halbtagesausflug blicken wir auf das von Wind und Wellen gepeitschte Pantokrator-Kloster und verfolgen, wie ein Airbus einige Anläufe braucht, bis er letztlich sicher auf der direkt am Wasser gelegenen Landebahn aufsetzt.
Pflichtstation ist der Achilleion-Palast, einst Domizil der österreichischen Kaiserin Sisi.
Kursänderung
Der Sturm hat sich intensiviert – und obwohl „World Explorer“ auch gut und sicher in bewegter See fährt, entscheidet sich Kapitän Neto, nicht den ursprünglich geplanten Hafen Katakolon anzusteuern, sondern Zakynthos. Safety first.
Dank der Kursänderung kann das Schiff dort sicher im Lee der Insel liegen. Die meisten Gäste erfreuen sich an einem Stadtrundgang, einige mieten sich zu günstigem Preis spontan ein Auto, um auf eigene Faust die Insel zu erkunden. Ein Highlight ist der spektakuläre Shipwreck Beach in der Navagio Bucht; seit 1980 sitzt die MV Panagiotis hier auf Grund.
Zeitreise auf Kreta
Über Nacht nimmt der „World Explorer“ Kurs auf Kreta, wo das Häusermeer von Chania wie zum Empfang die Arme ausbreitet und unterschiedlichste Zivilisationen in der langen Geschichte Spuren hinterlassen haben. Heute ist es Kretas zweitgrößte Stadt.
Chanias Altstadtgassen versetzen uns in eine andere Zeit. Einige Gäste satteln auf eine Pferdestärke um, indem sie eine Kutschenfahrt am venezianischen Hafen entlang starten. Die Kulissen dazu sind ein Gesamtkunstwerk aus Kirchen, Brunnen, Bögen, Blumenpracht und venezianischen Palästen.
Abschied auf Santorin
Wenn es ein Ziel gibt, das als Inbegriff der griechischen Insel zur Erfüllung von Träumen angesehen werden kann, dann ist es sicherlich Santorin.
Wir hatten das Privileg, als einziges Kreuzfahrtschiff in der Caldera zu liegen – ein außergewöhnlicher Anblick.
Über dem malerischen Szenario in Blau und Weiß schweben aber auch Corona-Sorgen vor der touristischen Zukunft. Santorin ist nun mal eine Destination, die auf Besucher angewiesen ist.
In den wenigen geöffneten Restaurants und Geschäften spürten wir die Dankbarkeit der Betreiber zumindest für diese kleine Dosis Fremdenverkehr. In der Taverne Lombranos direkt am kleinen Fischereihafen unterhalb von Fira genossen wir bei herrlichem Sonnenschein gegrillten Oktopus, frittierte Kalamare und griechischen Salat.
Der Eigentümer setzte sich zu uns an den Tisch, schenkte uns Wein ein und berichtete, dass er das Lokal in den nächsten Tagen erstmal schließen würde – obwohl eigentlich noch Nachsaison war, die sonst immer Gäste beschert und Einnahmen in die Kasse gespült hatte. Er hoffte auf Entspannung der Lage in der nächsten Saison – so wie auch wir bei der Rückfahrt zum Hafen von Piräus.