Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, hält auf dem DRV-Hauptstadtkongress Grundsatzrede zu drängende Themen wie Wirtschaftslage, soziale Aspekte und Umweltfragen in der Reisebranche.
Trotz der Herausforderungen durch die Pandemie verzeichnet die deutsche Reisewirtschaft wieder steigende Aktivitäten. Allerdings ist die Anzahl der Reisenden immer noch unter dem Vor-Corona-Niveau.
Mit Blick auf die zu beobachtende Zweiteilung der Kundennachfrage mahnt Fiebig zur Wachsamkeit. Während viele Menschen sich nach wie vor – auch bei gestiegenen Preisen – das Reisen leisten können und wollen, gibt es auf der anderen Seite auch immer mehr Menschen, die sich den Sommerurlaub nicht mehr erlauben könnten. „Das hat das Zeug zu einer sozialen Frage, wenn nicht alle aufpassen“, sagt Fiebig. „Der Urlaub muss auch für Durchschnittsverdiener weiter bezahlbar bleiben“, so seine Forderung.
Deshalb dürfe auch die Preisschraube von den Leistungsträgern nicht überdreht werden. Die Bundespolitik sieht Fiebig ebenfalls in der Pflicht und fordert: „Die Nachfrage muss stimuliert werden.“ Und dafür brauche es Entlastungen. „Insgesamt geht es darum, dass die Menschen mehr Geld für den Konsum in der Tasche haben.“
Pauschalreiserichtlinie erneut in Brüssel auf dem Prüfstand
„Europa will uns weitere Regelungen aufzwingen – und das, obwohl Schutz und Sicherheit gerade bei der besonders verbraucherfreundlichen Pauschalreise ohnehin schon sehr gut funktionieren“, kritisiert der DRV-Präsident. Unter dem Vorwand etwas für die Reisenden tun zu wollen, drohe aus Brüssel eine weitere Verschärfung der Pflichten von Reiseveranstaltern und Reisemittlern.
Zusätzliche Auflagen kosten Geld und verteuern das Produkt Pauschalreise – und das mache es für die Reisenden unattraktiver. In der Folge buchen die preissensiblen Kundinnen und Kunden dann die auf den ersten Blick günstigere – aber ungeschützte – Reise. „Sie stimmen also quasi mit dem Geldbeutel über den Verbraucherschutz ab“, erläutert der DRV-Präsident. Am Ende würden immer weniger Menschen gut geschützt verreisen – und immer mehr ohne jeglichen Schutz. Das eigentliche Ziel der EU werde damit ad absurdum geführt – ein klassisches Beispiel von: gut gedacht, aber schlecht gemacht. „Das gilt es zu verhindern!“, so Fiebig.
„Wir brauchen definitiv keine weiteren Wettbewerbsverzerrungen und Nachteile gegenüber anderen Playern im Markt.“ Es könne nicht das Ziel von Politik sein, die gut geschützte Pauschalreise zu einem teureren, unattraktiveren Produkt zu machen. „Verbraucherschutz heißt nicht, immer alles teurer zu machen. Dann haben wir am Ende viel Verbraucherschutz für ganz wenige und die Mehrheit reist ungeschützt. Gleiche und faire Bedingungen auf einem Wettbewerbsfeld für alle –das muss das Ziel der EU sein“, fordert der DRV-Präsident in Richtung Brüssel.
Dauerbrenner Fachkräftemangel droht zur Wachstumsbremse zu werden
In den kommenden Jahren werden deutlich mehr Beschäftigte aus dem Erwerbsleben ausscheiden als nachrücken — das gilt auch für die Reisebranche. Diese Entwicklung — bedingt durch den demografischen Wandel — verschärft den Fachkräftemangel. Die Reisebranche, so Fiebig, befinde sich längst in einem intensiven Wettbewerb mit anderen Branchen um die besten Talente. Die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland könne hier — zumindest in einigen Segmenten der Branche — für Entlastung sorgen.
Noch besorgniserregender sei jedoch die Ausbildungssituation in der Reisewirtschaft. „Wir müssen uns selbst stärker in die Pflicht nehmen und wir müssen wieder mehr ausbilden“, appelliert der DRV-Präsident. Die immer schnellere Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) führe zu neuen Herausforderungen im Reisebüro und erhöhe die Ansprüche der immer besser informierten Kundinnen und Kunden an die Beratungsqualität zusätzlich — auch wenn der Einsatz von KI im Arbeitsalltag entlastend wirken könne.
„Es gilt, den Mehrwehrwert des Reisebüros – die kompetente, die professionelle Beratung – zu sichern. Und das geht nur mit qualifizierten, mit gut ausgebildeten Fachkräften“, betont Fiebig. „Wir müssen es schaffen, schon bei den Schülerinnen und Schülern auf dem Schirm zu sein. Wir müssen die jungen Leute für uns gewinnen. Wir müssen sie begeistern, ausbilden und binden.“ Junge Menschen haben vielfältige Möglichkeiten, den Wandel, in dem sich die Reisewirtschaft befindet, aktiv mitzugestalten. „Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Digitalisierung, plus die Chance ins Ausland zu gehen und die Welt kennenzulernen – wir haben viel von dem zu bieten, was jungen Menschen heute wichtig ist“, wirbt der DRV-Präsident. „Unsere Branche ist modern, zukunftsorientiert und gut aufgestellt.“
Klimakrise bringt neue Herausforderungen in Sachen Klimaschutz
Der Sommer mit seinen Wetterextremen hat den Klimawandel erneut deutlich gemacht. Noch habe es kein verändertes Reiseverhalten der Deutschen in Folge der Sommerhitze gegeben, so Fiebig. „Die Menschen suchen den ‚zuverlässigen Sommer‘, die ‚Schönwetter-Garantie‘. Und das bietet im Sommer insbesondere der Süden Europas.“
Fiebig stellt jedoch klar: „Die Wetterextreme nehmen zu. Der Klimawandel ist Realität. Darauf müssen wir uns einstellen, das müssen wir im Blick haben!“ Perspektivisch werde es zu Veränderungen im Konsumverhalten kommen. „Und das muss Veränderungen in der Angebotsstruktur nach sich ziehen“, fordert er. „Wir haben eine große Verantwortung“, betont der DRV-Präsident. „Wir alle müssen beim Klimaschutz noch schneller und noch stärker werden.
Perspektivisch hilft nur der schrittweise Verzicht auf fossile Brennstoffe. Das Ziel heißt nach wie vor CO2-neutrale Mobilität.“ Die Politik sei hier gefordert, die Förderung von Innovationen und klimaschonenden Technologien und deren Umsetzung schneller und gezielter voranzutreiben. „Das ist von erfolgsentscheidender Bedeutung für die gesamte Reisewirtschaft“, so Fiebig. Gleichzeitig seien gezielte Maßnahmen zur Klimaanpassung dringend erforderlich.
Eine maßgebliche Aufgabe kommt aus Sicht des DRV-Präsidenten den Reisebüros zu, wenn es um die Sensibilisierung und Beratung der Reisenden hin zu klimaschonenderen, nachhaltigeren Reisen gehe. „Dabei geht es nicht um den erhobenen Zeigefinger. Nein! Denn damit kommen wir nicht weiter“, erläutert Fiebig. „Es geht um Information, um Argumente, um Tipps und letztendlich um Überzeugung.“
Abschließend appelliert der DRV-Präsident noch einmal in Richtung Politik: „Überregulierungen und Wettbewerbsverzerrungen müssen vermieden werden!“ und in Richtung Branche: „Als Reisewirtschaft müssen wir alles daransetzen, Urlaubern und Geschäftsreisenden auch zukünftig gute, zuverlässige Angebote zu fairen Preisen zu machen, die auch unseren Ansprüchen an den Klimaschutz und unserer Verantwortung gerecht werden.“