Eine Elbe-Reise hat es in sich. In malerischen Städten mit langer Geschichte wird angelegt. Berühmt ist das Elbe-Einzugsgebiet aber auch durch Erfinder, Schriftsteller und Künstler, durch prachtvolle Bauwerke und die Schönheit seiner Lage. „Wissen Sie, nach wem diese Brücke zu Vorwende-Zeiten benannt wurde?“, fragt ein unverkennbar sächsischer Mitpassagier rhetorisch in die Eincheck-Runde vor der Rezeption: „Nach dem Kommunisten Dimitroff, „aber jetzt heeßt se wieder so wie früher“. Sächsischer Humor zur Einstimmung. Die erste Nacht haben alle ausgeschlafen überstanden. „Ich hätte nicht gedacht“, so ein Gast überrascht, „dass das Wellengluckern an der Bordwand so schön einschläfernd wirkt“. Nach dem üppigen Frühstücksbüffet machen sich die JUNKER JÖRG-Fahrer auf zur Stadterkundung, entweder als geführte Gruppe oder privat mit Stadtplan bewaffnet, den jeder an der Rezeption erhält. Zusammen mit einem Willkommens-Händedruck von Kapitän und Betreiber Jan Harnisch aus Wittenberg und seinem Kapitäns-Kollegen Joachim Schramm aus Tangermünde sowie vom Hoteldirektor und dem Restaurantchef.
Elbflorenz von Canaletto
Einen halben Tag und eine ganze Nacht lang Zeit hat man hier. Angefangen bei der Frauenkirche, dem brechend vollen Wiederaufbau-Wunder. Kirchenhelfer geben bereitwillig Auskunft, zum Beispiel dass die Kuppel unglaubliche 10.000 Tonnen wiegt. Abgesehen von der elfjährigen Bauzeit und einem Spendenregen aus aller Welt in Höhe von 100 Millionen Euro. Auf dem Programm danach stehen die schönsten kulturellen Wahrzeichen aus der Vielfalt der Sehenswürdigkeiten: Semperoper und Zwinger, das Neue Grüne Gewölbe im Schloss, die Brühlsche Terrasse und das Albertinum. Aber auch das Verkehrsmuseum am Neumarkt im Johanneum, das außen mit den Kacheln des „Fürstenzuges“ geschmückt ist, lohnt einen Besuch.
Am frühen Nachmittag lässt Kapitän Joachim Schramm auf der Brücke 1800 „Deutz-Pferde“ erzittern. Nach einem furiosen Drehmanöver vor der Brühlschen Terrasse, dem Balkon Dresdens, passiert JUNKER JÖRG die Schokoladenseite der sächsischen Landeshauptstadt.
„Ah!“ hört man aus vielen Mündern, als hinter der letzten Brücke sämtliche Türme der historischen Residenzstadt Dresden das Heckpanorama ausfüllen. Denn sie kennen ihn alle, den berühmten „Canaletto-Panoramablick“ des italienischen Renaissance-Malers auf „Elb-Florenz“.
Feuerzangenbowle lässt grüßen
Am späten Nachmittag kommen hinter einer Flussschleife die Türme von Meißen in Sicht. Unterhalb der mächtigen Albrechtsburg wird angelegt. Schon nach wenigen Schritten ist man fasziniert von den verwinkelten, romantischen Gassen, dem liebevoll restaurierten Stadtbild und den freundlichen Bewohnern. Bekannt wurde die Stadt der „blauen Schwerter“ durch die königliche Porzellanmanufaktur, die 1710 auf der Albrechtsburg gegründet wurde und nach wie vor Weltruf genießt. Meißen sonnt sich im Glanz des „weißen Goldes“.
Aber auch die Frauenkirche, das spätgotische Rathaus, die Nicolaikirche und der Dom sind sehenswerte historische Bauten. Während eines Rundgangs samt anheimelndem Mittelaltermarkt auf dem Burghof geht dem Besucher manch geschichtsträchtiges Licht auf.
Vielfältiges Torgau an Backbord
Als bedrohlicher Schattenriss zeichnet sich gegen die Sonne ein trutziges Gebäude ab: Torgaus Schloss Hartenstein, nach Dresden bevorzugte Residenz der sächsischen Kurfürsten. Die strategisch angelegte Festung thront auf einem Porphyrfelsen und kann sich rühmen, eine vollständig erhaltene Anlage der deutschen Frührenaissance zu sein. Hinter seinen Mauern wurden nicht nur rauschende Feste gefeiert, sondern in den Verliesen auch Menschen gefangen gehalten. Heute sind es „nur noch“ ein paar bemitleidenswerte Braunbären im Schlossgraben. Torgau, gelegen im Nordwesten des Freistaates Sachsen, kann auf eine 1000-jährige Geschichte zurückblicken. Im 16. Jahrhundert war die Stadt – sie gilt als eine der schönsten aus der Renaissance — das politische Zentrum von Sachsen und der Reformation.
Gemächlich pendelt JUNKER JÖRG im 14-Kilometer-„Tempo“ durch sanfte Fluss-Schleifen nach Norden. Die Ruhe des eingedeichten Grünlandes überträgt sich auf den Betrachter. Außer Vogelrufen oder dem Blöken von Schafen ist kaum ein Laut zu hören. Stille, wie man sie selten noch findet. Immer weiter nach Norden führt der Schlängel-Kurs durch das friedliche Biosphärenreservat Mittelelbe, schon seit 1979 UNESCO-Schutzgebiet. Gurgelnd saugt der 1400-Tonner das Flusswasser ab, das in seinem Heckwasser wieder zu schmatzender Höchstform am Ufer aufläuft. Nur übertönt von den schrillen Schreien eines Greifvogel-Pärchens. Die Elbe fließt hier noch, wie es scheint, relativ unbeeinflusst durch menschliche Eingriffe — bis auf die Buhnen — und hat natürliche Überschwemmungsräume geschaffen.
Die untergehende Sonne verzaubert das Elbtal mit einer Symphonie von Rotorange-Tönen.
Weltbewegendes in der Lutherstadt
Der nächste Vormittag steht ganz im Zeichen Wittenbergs. Als Ausgangspunkt der lutherischen Reformation war die alte Universitätsstadt ein geistiges und kulturelles Zentrum in Mitteleuropa. 1517 soll Martin Luther die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche geschlagen haben. Sie sind heute – haltbarer — in Metall gegossen am Portal zu lesen und werden von Menschentrauben belagert. Vom Turm der Schloss- und Stadtkirche bietet sich ein beeindruckendes Panorama auf das Gassengewirr und die Elbe. Gerade ist das weltbewegende Ereignis 500 Jahre her.
Die Busgruppe steuert auch noch den Wörlitzer Landschaftspark an, seit 2000 UNESCO-Welterbe. Nur eine halbe Stunde Fahrt mit Fernblicken auf Wittenberg und man ist im Garten-Wasserreich von Fürst Leopold III. Friedrich Franz. Rund zwei Jahrhunderte nach Luthers Tod gingen von ihm entscheidende Impulse aus. Sechs Parkanlagen und zahlreiche Kleinarchitekturen schmiegen sich heute in die Wiesen an Mulde und Elbe. Sie verleihen der ganzen Region den Charakter eines Gartens von unendlicher Weite. Dessau-Wörlitz gilt als die Geburtsstätte des Landschaftsgartens, des Klassizismus und der Neugotik in Deutschland.
Per Gondel werden die Gäste durch die schmalen Kanälchen gerudert. Die sind gesäumt von dem künstlerisch angelegten Park, für den Menschenfreund Fürst Franz „eine harmonische Verbindung von Mensch und Natur anstrebte“, wie der Bootsführer sagt.
Wie eine feierliche Prozession gleitet abends die Stadtkulisse von Magdeburg, in dem Kaiser Otto der Große (912 – 973) residierte, an Backbord vorüber. Vom Sonnendeck aus zeigt die illuminierte Hauptstadt des Bundeslandes Sachsen-Anhalt ihren Charme, gelegen am Ostrand der fruchtbaren Börde und im letzten Krieg schwer zerstört. Sie wird überragt von den 104 Meter hohen Türmen des Doms St. Mauritius und St. Katharina, der größten Hallenkirche in Norddeutschland. In der Johanniskirche predigte einst auch Martin Luther. Zwischen den Sakralbauten und barocken Fassaden reckt sich das sehenswerte, bunte Hundertwasserhaus in den anhaltinischen Himmel. „Grüne Zitadelle von Magdeburg“ wird es auch genannt. Über ihre „Green Skylines“-Terrassen zu bummeln, lohnt sich allemal.
Hamborch blievt Hamborch
Die Anlegestelle in Lauenburg ist durch zwei Tanker blockiert. Schramm und Harnisch entscheiden sich für den nächsten Hafen Geesthacht. Hier werden die Ausflügler per Bus abgeholt und in die alte Hansestadt Lüneburg mit ihren berühmten Altstadt-Plätzen „Am Sande“ und „Auf dem Meere“ kutschiert. Sie konnte ihren Kern unzerstört über den letzten Weltkrieg retten. Wer indes mehr Bewegung nach gutem Essen braucht, der sollte auf dem berühmten Elbe-Wanderweg spazieren gehen. Er führt fast unmittelbar am Liegeplatz vorbei. Die hier breite Aue mit Fluss-Durchblick präsentiert sich in üppigem Frühlingsgrün. Duftende Anemonen-Felder bedecken den Boden wie eine Schneedecke, bläulich schimmern Veilchen hindurch. Fliederbüsche verströmen ihren betörenden Duft.
Der wird am nächsten Vormittag abgelöst durch den „Duft der großen, weiten Welt“ Hamburgs. Die Stadt muss nicht weiter vorgestellt werden, denn „Hamborch blievt Hamborch“. Eine plattdeutsche Liebeserklärung der Einheimischen. Unter den tiefliegenden Brücken der Norderelbe hat sich der JUNKER ganz klein gemacht und schleicht sich in den Hafen. Sie schrumpft noch weiter neben den Seeschiffen. Die Elbe wellt sich unter dem emsigen Wasserverkehr. Am Museumsfrachter CAP SAN DIEGO, der Viermastbark RICKMER RICKMERS, den Sankt Pauli-Landungsbrücken und dem Oldtimerhafen Övelgönne entlang nimmt JUNKER JÖRG die Parade ab. Von Ferne grüßen Hamburgs altes Symbol, der „Michel“, und das neue, die glitzernde Elbphilharmonie. Kapitän Schramm bietet seinen Gästen zum Abschluss noch eine perfekte Hafenrundfahrt, während andersherum der kleine JUNKER von den Gästen der Rundfahrtschiffe pausenlos fotografiert wird.
Und weiter geht´s
Ein weiterer strahlender Sommermorgen über dem Hamburger Hafen, als das Flusskreuzfahrtschiff am frühen Morgen vom Cruise Terminal Steinwerder zu einer besonderen Reise in ein neues Fahrtgebiet aufbricht. Vorbei am Nobel-Viertel Blankenese, den Airbus-Werken und der Schiffsbegrüßungsanlage Schulau – dort wird die deutsche Flagge gedippt – und einem der größten Containerschiffe der Welt mit rund 400 Metern Länge und 22.000 Stahlkisten an Bord.
Vor Brunsbüttel wirft die von einem steifen Westwind aufgeraute Elbe Schaumköpfe auf. Der Lotse steigt über. Nach einer halben Stunde in der Schleuse ist der JUNKER auf den Kanalwasserstand angehoben und das große Tor öffnet sich. „Freie Fahrt nach Osten!“ signalisiert die Verkehrslenkung. Der Lotse und Kapitän Joachim Schramm aus der Elbe-Stadt Tangermünde freuen sich: „Dann sind wir ja schnell an unserer Übernachtungsstelle in Rendsburg!“ Weit schweift der Blick übers platte Marschland: Felder, Wiesen und Wälder.
Voraus die Lotsenstation Rüsterbergen vor Rendsburg. Nur noch eine weite Rechtskurve und das weiße Schiff legt nach 62 Kilometern und rund vier Stunden im Kreishafen von Rendsburg an. Direkt gegenüber von einer bekannten Eisdiele. Dahin lenken die meisten Gäste auch ihre ersten Schritte in Schleswig-Holstein. Die sommerlichen Temperaturen schreien nach einem leckeren Eis. Andere machen sich auf den zehnminütigen Weg ins Zentrum, um die alte dänisch-preußische Garnisonsstadt zu erkunden. Zeit haben sie theoretisch dazu die ganze Nacht, denn erst um 12 Uhr am nächsten Tag soll es weitergehen.
Im Mastenwald der Kieler Woche
Kaum hat der JUNKER wieder seine Nase nach Osten gerichtet, poltert es plötzlich in der Luft: Über die legendäre Rendsburger Hochbrücke, Wahrzeichen der Kanalstadt, kriecht ein endlos langer Güterzug. Knapp siebeneinhalb Stunden hat insgesamt die Reise über Land auf dem knapp 100 Kilometer langen „Silberband“ zwischen den Meeren gedauert. Das ist Schleswig-Holstein zu Schiff, aber im Radfahrertempo von maximal 15 Kilometern pro Stunde. Mehr sind nicht erlaubt, um die Kanalböschungen zu schonen. Aber mit 85 Zentimetern Tiefgang geht vom schlanken JUNKER ohnehin keine Gefahr aus.
Kaum hat das Flusskreuzfahrtschiff die große 310 Meter lange und 42 Meter breite Schleusenkammer in Kiel-Holtenau verlassen, wird es auch schon von einer ganzen Segelschiffs-Armada umzingelt. Bei strömendem Regen kommen die Ein‑, Zwei- und Dreimaster zurück von ihren Gästefahrten während der Kieler Woche. Direkt hinter dem Liegeplatz gegenüber vom Hauptbahnhof reckt sich der gewaltige Klüverbaum der russischen Viermastbark SEDOV, die 1921 ein paar hundert Meter weiter weg gebaut wurde, über das Hafenbecken. Ein ganz besonderes Schmankerl für die rund 100 Gäste. Vor dem Bummel auf der Kiellinie statten sie dem imposanten Großsegler, der früher unter deutscher Flagge fuhr, einen Besuch ab. Am übernächsten Tag werden die Gäste in Stralsunds Partnerstadt verabschiedet.