Vor zwei Wochen schaltete AIDA das Sommerreisen-Programm für 2024 zur Buchung frei. Zu den neuen Ostseereisen heißt es in der Ankündigung dazu „Die Ostsee lässt sich auf 3- bis 14-tägigen Reisen erkunden. Von Warnemünde aus geht es beispielsweise mit AIDAdiva über Stockholm hoch bis nach Kemi und Oulu in Finnland und weiter nach Riga, Klaipėda und Danzig. Weitere Ostsee- und Skandinavien-Routen von Warnemünde werden mit AIDAmar angeboten.“
Unter diesen Reisen für 2024 befinden sich rund 30 Kreuzfahrten, die auch ins russische St. Petersburg führen sollen.
Wie sich die Situation mit Russland bis 2024 entwickelt, kann heute niemand sagen. Jedoch ist der Veröffentlichungszeitpunkt für die Reisen äußerst unglücklich gewählt.
Gerade unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse im nun über sieben Monate dauernden Krieg Russlands gegen die Ukraine, erscheint es fragwürdig, Russland nun wieder als Destination anzubieten.
Aus dem Reedereiumfeld heißt es, man habe die Reisen im guten Glauben aufgelegt. Die Sicherheit der Gäste habe immer Vorrang. Sollten die Voraussetzungen 2024 einen Anlauf nicht möglich machen, werde man die Routen anpassen. Offiziell wollte sich die Reederei auf unsere Anfrage zu den Reisen jedoch nicht äußern.
Auch Hapag-Lloyd und Phoenix Reisen wollen nach St. Petersburg
AIDA ist nicht die einzige Reederei, die an Russland als Destination festhält. Hapag-Lloyd Cruises und Phoenix Reisen (mit Deutschland und Amadea) kommunizieren St. Petersburg ebenfalls als zukünftige Destination, ebenso Norwegian Cruise Line als internationaler Anbieter.
Hapag-Lloyd Cruises plant 2024 fünf Anfahrten, Phoenix Reisen plant bereits im nächsten Jahr mit vier Stopps in der zweitgrößten Stadt Russlands. Norwegian Cruise Line will aktuell mit der Norwegian Dawn 2024 auch St. Petersburg ansteuern.
Phoenix Reisen ist nach Rückfrage bereits dabei, die Kreuzfahrten umzurouten. Bevor das auf der Homepage aber ersichtlich sei, sollten zunächst die gebuchten Gäste informiert werden. Das geschehe laut einer Sprecherin der Reederei gerade.
Auch Hapag Lloyd will die Situation weiterhin aufmerksam beobachten und das Routing der aktuellen Lage anpassen. Die genannten Reisen für 2024 seien vor Ausbruch des Angriffskriegs veröffentlicht worden. Weiter weist Hapag Lloyd daraufhin, dass alle Reisen mit Station in Russland in diesem Jahr durch Alternativen ersetzt wurden und auch 2023 nicht angesteuert werden.
Norwegian Cruise Line hat uns eine angekündigte Stellungnahme bislang nicht übermittelt.
Auswärtiges Amt: Personenschiffsverkehr nach Russland ist ausgesetzt
Das Auswärtige Amt hat für Russland eine Teil-Reisewarnung ausgesprochen. Für St. Petersburg gilt diese zwar nicht, derzeit ist der Personenschiffsverkehr und die visumfreie Einreise jedoch ausgesetzt. Auch die Ausstellung von russischen eVisa für Touristen sei nicht möglich.
Bei Ausbruch des Krieges Ende Februar 2022 hatten deutsche wie internationale Reedereien zunächst beobachtend, aber dann doch recht schnell gehandelt und St. Petersburg als Hafenstopp aus den Routenkarten genommen.
Internationale Reedereien haben Reisen ins Baltikum stark reduziert. Das gilt – soweit bereits neue Reiserouten veröffentlicht sind – auch für 2023 und 2024. Royal Caribbean beispielsweise hat Ostseereisen mit Kreuzfahrten nach Norwegen und Island ersetzt.
Hoffen auf Normalisierung kommt zu früh
St. Petersburg war vor Februar 2022 für Kreuzfahrtanbieter ein „Kronjuwel auf den Skandinavien-Routen“. So wird Frank Del Rio, CEO von Norwegian Cruise Line, zitiert.
Das Bild des „Kronjuwel“ trifft sowohl auf die prunkvollen Schlösser und Kunstsammlungen der Stadt zu, als auch für die Bedeutung als touristische Destination. Die Route ins Baltikum wird von vielen Reisenden gerade wegen des Stopps in Russland und den Sehenswürdigkeiten aus der Zarenzeit gebucht. Reedereien können insbesondere zur Zeit der Sommersonnenwende hohe Tarife aufrufen.
Dass die Anbieter hier schnell wieder auf eine Normalisierung hoffen, wundert daher nicht.
Doch so lange die Aggression Russlands gegen die Ukraine und die westliche Welt besteht, wirkt es befremdlich, diese Reisen anzubieten. Auch wenn Völkerverständigung und ein friedlicher Austausch über Grenzen und Kulturen hinweg das Herzstück der Reisebranche sind — der Krieg, den Russland entfacht hat, ist beispiellos in der modernen Welt und gehört solange geächtet, solange der Zustand anhält.
Es scheint fraglich, ob sich durch neue Reiseankündigungen eine Ächtung ausdrücken lässt.