Eine kleine Schlange hat sich vor dem Cruise-Terminal in Hamburg-Altona gebildet. Einige Gäste warten schon ein paar Minuten vor dem Beginn der Einschiffungszeit zum Boarding der MS Europa 2. Fünfzehn Minuten vor dem im Programm angekündigten Start des Check-in geht es los und keine zehn Minuten später sind wir an Bord auf unserer Kabine.
Wobei Hapag-Lloyd auf der MS Europa 2 nur von Suiten spricht. Und das ist gerechtfertigt. 28 Quadratmeter misst die kleinste Kabinengröße. Dazu verfügen alle Suiten noch über einen Balkon von mindestens sieben Quadratmetern Größe. Mehr als ausreichend Platz also.
In unserer Ocean Suite beeindruckt vor allem das Badezimmer mit Whirlpool-Badewanne, Walk-In-Regendusche und zwei Waschbecken. Der Schrankraum würde locker auch für eine Weltreise reichen. Schlaf- und Wohnbereich sind elegant-modern mit deutschen Designermöbeln gestaltet.
Alles wird 1A in Schuss gehalten. Als wir uns später auf der Reise über die laute Kapitänsdurchsage des Badezimmerlautsprechers wundern, werden am gleichen Tag nacheinander drei Handwerker aus verschiedenen Abteilungen in der Suite vorstellig.
Dabei hatten wir den Fehler gar nicht an die Rezeption weitergegeben. Vermutlich hat das Housekeeping eine Durchsage mitbekommen, während sie die Kabine auf Vordermann brachten.
Noch während wir uns in der Kabine umschauen, wird auch schon das Gepäck geliefert und die Kabinenstewardess schaut mit Champagner und Kaviarappetizern vorbei. Ein sehr gelungener Einstieg in unsere Neun-Nächte-Reise in die Ostsee.
REISEWARNUNGEN STEHEN IM RAUM
Die Route ist mit Stationen in Schweden und Kopenhagen geplant. Wobei je nach Stand der Reisewarnungen des Robert Koch-Instituts (RKI) mit Änderungen im Fahrplan gerechnet werden muss.
Schon vor der Reise wird der Halt in Kopenhagen, das als Risikogebiet durch das RKI geführt wird, durch einen Stopp im schwedischen Kalmar ersetzt.
Gebannt haben wir bis zur Abfahrt die beinahe täglichen Aktualisierungen der
Risikogebiete verfolgt und gehofft, dass Schweden nicht auch als Gefahrengebiet auftaucht. Das bleibt so bis zu Beginn der Reise und so gehen wir mit dem obligatorischen Corona-Test beruhigt an Bord.
HAPAG-LLOYD CRUISES JETZT SCHWESTER VON TUI CRUISE
Nach der im Sommer 2020 durchgeführten Integration von Hapag-Lloyd Cruises in das Joint Venture zwischen TUI Cruises und Royal Caribbean, gibt es auch in der Organisation an Bord eine erste Änderung. Neben Hotel-Manager und Kreuzfahrtdirektor gibt es nun zusätzlich noch die Position eines Generalmanagers, der als „direkte Schnittstelle zu TUI Cruises“ fungieren soll.
Hapag-Lloyd Cruises arbeitet genau wie die neue Muttergesellschaft TUI Cruises mit den Helios Kliniken zusammen, um den Gästen einen kostenlosen PCR-Test anbieten zu können.
Da es am Frankfurter Flughafen eine für uns schnell erreichbare Teststation des Biotech-Unternehmens Centogene gibt, führen wir unseren Test dort durch. Diesen müssen wir selbst bezahlen, bekommen an Bord aber 50 Euro Bordguthaben pro Test gutgeschrieben. Das Ergebnis ist innerhalb von 12 Stunden da – und im Gegensatz zu den Helios-Tests werden wir persönlich darüber informiert.
ROUTENÄNDERUNG
Während der ersten Station in Göteborg wird die Region Stockholm doch noch zum Risikogebiet erklärt. Hapag-Lloyd nimmt daraufhin den geplanten Overnight-Stopp in Stockholm aus der Route und ersetzt ihn durch einen Halt im kleinen Städtchen Karlskrona.
So freuen wir uns auf vier Landgänge in Schweden und stellen bei Buchung der Ausflüge fest, dass wir auch ohne organisierten Ausflug an Land gehen dürfen. Sogar Shuttlebusse wird es in einigen Städten für den individuellen Landgang geben – allerdings wird auf Sitzabstand geachtet und ein Mund-Nasen-Schutz muss im Bus ebenfalls getragen werden.
Ein Landgangerlebnis wie vor Viruszeiten wird vermutlich so in den nächsten Monaten auch nur auf kleinen Schiffen wie der Europa 2 mit wenig Publikum abbildbar sein. TUI Cruises erlaubt individuelle Landgänge nicht, da hier stets deutlich über 500 bis zu 1.000 Gäste unterwegs sind.
ENTSPANNTE ATMOSPHÄRE
Die MS Europa 2 würde aktuell mit bis zu sechzig Prozent Auslastung fahren, was übersetzt ca. 300 Passagiere bedeutet. Auf unsere Reise liegt die Auslastung noch deutlich darunter.
Mit weniger als 200 Gästen an Bord entsteht eine besonders entspannte und luxuriöse Atmosphäre, fast ein wenig Privatyachtfeeling. Die Einhaltung von Abstandsregeln ist ohnehin auf der Europa 2 kein Problem. Die Bruttoraumzahl des Schiffes liegt bei 42.800. So wäre schon bei Vollauslastung üppig Platz für alle Gäste und bei weniger Gästen natürlich umso mehr.
An den Mund-Nasen-Schutz haben wir uns schon seit der ersten Kreuzfahrt in Pandemiezeiten im Sommer gewöhnt. Alle anderen Reisenden offenbar auch.
Da auch alle Mitarbeiter den Mund-Nasen-Schutz tragen und dank des obligatorischen Corona-Tests vor Einschiffung fühlen wir uns an Bord wie in der gelegentlich zitierten „sicheren Blase“ – und damit besser geschützt als aktuell in einer durchschnittlich besuchten deutschen Fußgängerzone. Erstaunlich eigentlich, dass häufig pauschal von Reisen abgeraten wird.
AB IN DEN URLAUB
Am Abend verlässt die Europa 2 Hamburg und fährt die Elbe hinab in Richtung Nordsee. Am folgenden Seetag zeigt sich diese von ihrer ruhigen Seite. Die ein bis zwei Meter hohen Wellen sind auf dem Schiff nicht zu spüren.
Gegen Mittag kreuzt die HANSEATIC Inspiration unseren Weg. Das kleine Flottentreffen wird mit einigem Tamtam zelebriert. Schließlich sind es die einzigen beiden Kreuzfahrtschiffe von Hapag-Lloyd Cruises, die aktuell Kreuzfahrten anbieten. Die anderen drei Schiffe liegen an verschiedenen Orten in Deutschland. Nur einmal scheint sich die MS Europa nach der bordeigenen Seekarte, die die Positionen der Schiffe der Flotte überträgt, nach Westafrika aufgemacht zu haben. Kurze Zeit später liegt sie aber wieder wie zuvor vor Helgoland.
ERSTE LANDGÄNGE
Göteborg ist die erste Station der Reise. Die Industriestadt im Westen von Schweden wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts durch König Gustav II. Adolf gegründet und war zu Zeiten schwedisch-dänischer-Rivalitäten als einziger schwedischer Seehafen mit Zugang zur Nordsee wichtige Handels- und Fischereistadt.
Dem Stadtgründer ist heute ein Denkmal auf dem Hauptplatz im Zentrum der Stadt gewidmet. Die schöne Innenstadt mit ihren Geschäften, Cafés und der Markthalle lässt sich gut zu Fuß erkunden.
Wir lernen die Stadt mit Bus und Spaziergang auf einem organisierten Ausflug kennen. Reiseführerin Ingrid führt uns zu allen Sehenswürdigkeiten, bevor wir noch auf eigene Faust die Atmosphäre der Stadt mit ihrem großen Park inklusive Gewächshaus im viktorianischen Stil genießen.
Zurück zum Schiff geht es mit dem kostenfreien Shuttlebus, der trotz der wenigen Gäste jede halbe Stunde verkehrt. Kein langes Schlangestehen, bis der nächste Bus kommt.
Kreuzfahrten auf einem kleinen Schiff der Luxusklasse sind sehr entspannt.
In Malmö liegt das Schiff nahe an der Innenstadt, sodass kein Shuttle notwendig ist. Wir erkunden die Sehenswürdigkeiten mit bordeigenen Leihfahrrädern der Europa 2, die kostenfrei nach Reservierung bereitstehen.
Zahlreiche historische Bauten umrahmen die beiden zentralen Plätze der Altstadt. Mit dem Fahrrad ist es auf gut abgetrennten Radwegen nur eine kurze Strecke bis zum Malmöhus, einem alten Schloss, das aus der dänischen Zeit der Stadt aus dem 15. Jahrhundert stammt. Modern geht es auf dem Gebiet des Westhafens zu, einem ehemaligen Industrieareal.
Den Mittelpunkt des ökologisch ausgerichteten Baugebiets bildet der ikonografische „Turning Torso“ des spanischen Architekten Santiago Calatrava.
Der Wohnbau, dessen Fassade bis zur 190 Meter hohen Spitze um 90 Grad gedreht ist, ist das höchste Gebäude von Nordeuropa und gleichzeitig das dritthöchste Wohngebäude in Europa. Ein schöner Fotostopp und eine offenbar erfolgreiche Revitalisierung der Industriebrache.
An der Westhafen-Promenade entlang kann man bis zur Öresundbrücke radeln, die Malmö und Kopenhagen zu einer Metropolregion verbindet. Die kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke durchqueren wir später in der Dämmerung auf dem Weg zum nächsten Hafen.
GENUSS AN BORD
Zuvor genießen wir aber den Abend an Bord des Schiffes. Vier Spezialitätenrestaurants, das Hauptrestaurant und das Buffet stehen zur Auswahl. Alles ohne Aufpreis. Man kann für die Abende reservieren. Oder man entscheidet spontan, ob man Appetit auf französische, asiatische, italienische Spezialitäten oder auf Sushi hat.
Wir haben immer auch kurzfristig einen Tisch bekommen. Die Küche ist in allen Restaurants exquisit. Jeder einzelne Gang ist aufwendig und hochwertig zubereitet und verspricht ein Geschmackserlebnis. So wird das Dinner jeden Abend zu einem Höhepunkt.
Dazu trägt auch der exzellente Service bei. Wir werden von dem Zurechtrücken des Stuhls bis zur abschließenden Praline nach dem Dinner überall äußerst zuvorkommend umsorgt. Dabei ist der Service erfrischend umgänglich und kein bisschen steif. US-amerikanischen Smalltalk sollte man aber eher nicht erwarten.
Die Gäste scheinen das nicht zu vermissen und es würde auch nicht zum Konzept des Schiffes passen. Eine Rechnung unterschreibt man nach jedem Dinner: Alkoholische Getränke sind nicht im Reisepreis enthalten. Die Preise sind aber durchaus moderat. Ein Aperol Spritz steht mit 6,50 Euro auf der Karte. Gute Flaschenweine gibt es auch für unter 30 Euro.
Das passt, schließlich möchte nicht jeder Alkohol zum Dinner trinken. Nicht ganz erschließt sich uns hingegen, warum auch Wasser extra berechnet wird, zumal es in der Minibar in der Kabine inkludiert ist.
Im Theater gibt es eine Show pro Abend. Während unserer Reise traten abwechselnd ein Comedian eine Artistikgruppe ehemaliger Cirque du Soleil Artisten und ein Klassikensemble auf. Alles auf hohem Niveau. Wer danach noch einen Drink nehmen möchte, ist in der Sansibar gut aufgehoben.
Die Einrichtung erinnert tatsächlich ein wenig an Sylt, wo das Stammhaus der Bar steht. Partys steigen hier derzeit jedoch keine. Das würde nicht ins Hygienekonzept passen.
NOCH MEHR SCHWEDEN
Am nächsten Morgen liegen wir vor der kleinen Stadt Kalmar und tendern in den Hafen. Ehemals an der Grenze zu Dänemark gelegen, war das Schloss bis ins späte 17. Jahrhundert eine wichtige Bastion zur Verteidigung. Heute kaum vorstellbar, dass sich die skandinavischen Länder über Jahrhunderte gegenseitig bekriegten. Eine in 1397 gegründete Kalmarer Union, die Skandinavien vereinigte, hielt nicht lange.
Aktuell ist der kleine Ort ein beliebtes Ziel für die Sommerfrische der Schweden. Alles strahlt Bullerbü-Atmosphäre aus. Der Ort Sevedstorp, der Astrid Lindgren als Vorbild zu ihrem Buch „Wir Kinder aus Bullerbü“ diente, liegt nicht weit entfernt. Die schönen Holzvillen der Altstadt werden auch häufig von Senioren der schwedischen Großstädte als Altersruhesitz erworben.
Auf der MS Europa 2 liegt der Altersdurchschnitt der Gäste auf dieser Reise vermutlich bei um die 50 Jahre.
Neben einigen Senioren sind auch einige Familien mit Kindern an Bord. Für den Nachwuchs gibt es mit dem Knopf‑, Kids- und Teensclub separate Einrichtungen für drei Altersklassen. Und auch die Kinderanimation an Bord ist gut besucht.
Abgerundet wird das Angebot auf dem familienfreundlichsten Schiff von Hapag-Lloyd Cruises durch spezielle Familienapartments. Zwei verbundene Kabinen, von denen eine mit Einzelbetten sowie Spielangebot inklusive Spielkonsole speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten ist.
KARLSKRONA STATT STOCKHOLM
Das Kreuzen durch den Stockholmer Schärengarten ist von steifem Wind begleitet. Bei Temperaturen von unter 10 Grad lässt sich die Aussicht statt auf dem Außendeck angenehmer aus der Belvedere Bar auf Deck 9 genießen. Die Stockholmer Altstadt sehen wir vom Schiff aus, machen einige Fotos und drehen dann wieder ab. Schade. Wir hatten uns auf den Übernachtaufenthalt in der Stadt gefreut.
Als Ersatzhafen wird am nächsten Tag die kleine südschwedische Stadt Karlskrona angesteuert.
Der Ort wurde 1670 als Flottenstützpunkt gegründet. Der Marinehafen der Stadt mit seinen ehemaligen Werften und Verteidigungsanlagen wird heute von der UNESCO als Weltkulturerbe geführt. Wobei die Einrichtungen vor allem von Marine-Enthusiasten geschätzt werden. Die auf einer Halbinsel gelegene Stadt ist mit dem durch die lokale Touristeninformation empfohlenen Rundgang schnell erkundet und so genießen wir am Nachmittag Zeit an Bord der Europa 2. Am großzügigen Pool, der durch ein variables Glasdach auch bei niedrigen Temperaturen zum Schwimmen einlädt, stehen bequeme Daybeds und Liegen zur Verfügung.
Nachmittags zieht der Duft von frischen Waffeln durch den Bereich. Die Waffelzeit ist an Bord deutlich beliebter als das Kuchenbuffet.
Wunderbar entspannen kann man auch im großen Saunabereich mit Außenterrasse am Heck. Wer etwas mehr Bewegung sucht,
findet diese im gut ausgestatteten Gym und bei diversen kostenfreien Fitnesskursen.
ZURÜCK VIA KIEL-KANAL
Statt den Weg rund um Dänemark herum über die Nordsee nimmt die Europa 2 die Abkürzung durch den Nord-Ostsee-Kanal. Auf dem Weg dorthin passieren wir Rügen und können einige verregnete Fotos von den Kreidefelsen und vom Leuchtturm auf Hiddensee machen. Die Tagespassage durch den Nord-Ostsee-Kanal führt von Kiel nach Brunsbüttel und ist einer Flusskreuzfahrt nicht unähnlich.
Wir fotografieren das Ufer und vom Ufer fotografieren zahlreiche Spaziergänger das Schiff. Wobei die Europa 2 diesen Sommer bereits 15 Fahrten durch den Nord-Ostsee-Kanal absolviert hat. Sie dürfte hier also keine Unbekannte mehr sein. Ab Brunsbüttel geht es die Elbe aufwärts. Spät abends legen wir dann im Cruise Center in Hamburg-Altona an und müssen am nächsten Morgen unsere luxuriöse und virenfreie Blase verlassen und wieder in den Alltag im Risikoherbst 2020 in Deutschland zurückkehren.